Montag, 20. Dezember 2010

Nachts....

Es fühlt sich gut an, dass das Puppies-Album nun bald wirklich abgeschlossen ist... es wird Zeit für neue musikalische Ideen.... diese Songs haben wir nun drei Jahre lang immer wieder gehört... Es ist Zeit für den Punkt, die Aufnahmen abzuschließen.... ja, das ist gut so. Sicher.. man könnte noch so viel wieder umschieben, verschieben anders mixen... Die Möglichkeiten, die sich uns dank unserer Studio-Situation ergeben sind so zahlreich, dass man wohl nie fertig werden könnte oder müsste....Aber nun Zeit für andere musikalische Ideen. Meine Synthie- und Groovebox-Armade wächst und gedeiht.. nun auch noch das Gesangs-Bodeneffektgerät... für viele Ideen in meinem Kopf sind nun auch die technischen Voraussetzungen da, sie umzusetzen und das auch auf der Bühne... dafür sollte 2011 Zeit sein... viele andere Songs sind auf der Löschliste... aber sie werden nur in andere Ordner verschoben. Das geht ja heutzutage... wer weiß... vlt denke ich irgendwann anders über diese Ideen und Songansätze... Schauen wir, was kommt... technische Ausreden zählen nicht mehr. Muss nur noch die Ideenphase kommen... die KReativität , der Mut anders zu denken.....also Dinge nicht auszuschließen... nach so vielen Jahren im reinen "Rockbereich" nicht so einfach...Nachts kommen Ideen.... gerade rumgebastelt.. da tut sich was

Mittwoch, 10. November 2010

Warum eigentlich Rockumentary??

Seit Jahren beschäftige ich mich nun schon mit Rockmusifilmen und leite gemeinsam mit Prof. Wulff und einer fleißigen Redaktion das Rockumentary-Projekt. Aber was ist daran eigentlich interessant?, fragt man mich gerne... hier einfach das Vorwort unseres Lesebuchs (Erster Teil) als kleine Einführung und Erklärung:


Nahezu unbeachtet von Film- und Musikwissenschaft hat sich mit dem Rockmusik-Dokumentarfilm und seinen verschiedenen Untergattungen in den letzten vierzig Jahren eine neue Gattung des Musikfilms entwickelt. Nur wenige Jahre, nachdem die Rockmusik populär und zugleich ein wichtiger und ökonomisch einträglicher Zweig der Musikindustrie geworden war, als klar war, dass Rockmusiker nicht nur riesige Plattenumsätze erzielen, sondern auch große Hallen füllen konnten, und als es zudem gelang, mit den Open-Air-Konzerten nicht nur große Publika zu aktivieren, sondern damit eine ungemein hohe öffentliche Aufmerksamkeit zu gewinnen, wurden die Akteure der Rockmusik ebenso zu einem Gegenstand dokumentarischen Interesses wie die Tourneen, Konzerte und Festivals, die Fankulturen, manchmal sogar die Organisatoren der Veranstaltungen.
Die Bezeichnung Rockumentary, die heute oft als Gattungsname verwendet wird, ist ein Kunstwort aus rock und documentary. Es wurde wohl zum ersten Mal in Rob Reiners Mockumentary THIS IS SPINAL TAP (1984) erwähnt, lange nachdem die Filme in regelmäßiger Folge im Kino gelaufen waren und nicht nur das Interesse von Musikfans, sondern auch von Cineasten gefunden hatten. Die Bezeichnung weist zurück auf die Blütezeit des Direct Cinema, in der nicht nur einige Porträts von Dirigenten und Pianisten sowie Aufzeichnungen klassischer Konzerte entstanden, sondern in der vor allem in den USA Rock-Musiker und ihre Konzerte ein beliebtes dokumentarisches Sujet waren. Die Filme fanden ein hochstrukturiertes vorfilmisches Ereignis vor, in das sie sich nach Art der Programmatik des Direct Cinema einschmiegen konnten. Sie verbanden meist Bilder der Bühnenshows, Aufnahmen des Publikums, manchmal Interviews mit Beteiligten und atmosphärische Bilder der Geschehnisse am Rande des Konzerts. LONELY BOY (USA 1961, Roman Kroiter, Wolf Koenig) über Paul Anka ist der wohl erste Film in dieser Art. D.A. Pennebakers Bob-Dylan-Film DON‘T LOOK BACK (USA 1966), sein Konzert-Film MONTEREY POP (USA 1967) und vor allem Michael Wadleighs mit großem Aufwand gedrehte Dokumentation WOODSTOCK (USA 1970) brachten einen enormen wirtschaftlichen Erfolg und stießen eine ganze Reihe weiterer Filme an. Dazu rechnet die Dokumentation des desaströsen Auftritts der Rolling Stones 1969 in Altamont, bei dem ein Ordner der Hell‘s Angels einen Besucher erstach (GIMME SHELTER, USA 1971, David Maysles, Albert Maysles, Charlotte Zwering). Äußerst erfolgreich war auch Martin Scorseses Film THE LAST WALTZ (USA 1978) über das Abschiedkonzert von The Band. Obwohl Filme im Stil der Rockumentaries immer noch weiter produziert werden (man denke an Jonathan Demmes Talking-Heads-Film STOP MAKING SENSE, USA 1984), feierte Rob Reiner in der Pseudo-Dokumentation THIS IS SPINAL TAP (USA 1984) einen parodistischen Abgesang auf die erste Hochphase des Genres.
In den 1980er Jahren wurde die Rockkonzert-Dokumentation nicht nur zu einem Standardformat des Fernsehens (in Deutschland z.B. zu solchen seriellen Sendeplatz-Formaten wie dem seit 1974 produzierten ROCKPALAST zusammengefasst). Eine große Anzahl von Konzertaufzeichnungen - vor allem in Form der (film-)ästhetisch meist anspruchslosen Livemitschnitte - haben einen eher protokollarischen Anspruch und sind oft nur minimal bearbeitet (darin manchen Theater- und Opernaufzeichnungen verwandt). Die Konzertaufzeichnung dieser Couleur ist eine Fernsehgattung, spielt im Kino keine Rolle; sie setzt das Radio-Konzert mit audiovisuellen Mitteln fort. Mediengeschichtlich ist der Übergang vom Rockumentary zur Konzert-Dokumentation interessant, weil er erst zu Zeiten des Übergangs zur Verbreitung des Home-Videos einsetzt: Erst nun entsteht der Video- und später DVD-Markt als Markt eines neuen Verbreitungsmediums der Musik. Nun wachsen Musik- und Film-/Fernsehindustrie endgültig zusammen. Ursprünglich vor allem zur Verbreiterung des Publikums gedacht und live ausgestrahlt, ist die Konzertdokumentation inzwischen eine der Archivierungs- und Nutzungsformen des Musikmarktes. Es entstanden der Tournee-Film und der Porträtfilm als Varianten des Rockkonzertfilms. Es wurden eine ganze Reihe von Rock-Musikern in Aufnahmen porträtiert oder dokumentiert, die während einer oder mehrerer Tourneen gemacht wurden. Angefangen von ABBA: THE MOVIE (Schweden 1977, Lasse Hallström) über die Australien-Tournee der schwedischen Gruppe, Mitte 1977, über Paul McCartneys GET BACK (Großbritannien 1991, Richard Lester) bis zu UNTERWEGS - DIE HERBERT GRÖNEMEYER-TOUR 2007 (BRD 2007, Ulrich Stein) reichen die Beispiele. Die wenigsten dieser Filme werden im Kino gestartet, sondern sind heute als Video- oder DVD-Kopien einer der festen Vertriebswege der Rock- und Popmusik. Um
so überraschender sind in jüngster Zeit Filme wie das Biopic CONTROL (Großbritannien 2007, Anton Corbijn) über den Sänger Ian Curtis der Band Joy Division oder Martin Scorseses SHINE A LIGHT (USA 2008) über die Rolling Stones, die mit großem Erfolg im Kino ausgewertet wurden.
Es ist das Anliegen des Rockumentary-Projektes, eine erste Sichtung der Menge und der Vielfalt der inzwischen sehr umfangreichen Videothek der Rockmusik-Filme vorzunehmen. Vor allem anhand von kurzen Porträts und Analysen einzelner Filme, aber auch von Übersichtsdarstellungen zu einzelnen Musikern und Musikrichtungen, den wichtigsten Regisseuren der Gattung und einzelnen dokumentarischen Formaten sowie von detaillierteren Analysen soll nicht nur der Bestand gesichert, sondern auch das Problem der Analyse von Rockfilmen angesprochen werden, die sich den meisten Verfahren der traditionellen Filmanalyse gegenüber eher als sperrig erweisen.
Das Projekt ist in progress - darum versteht sich dieses Vorwort auch als Einladung an unsere Leser, sich mit eigenen Beiträgen zu beteiligen, die wir regelmäßig in den Kieler Beiträgen zur Filmmusikforschung vorstellen werden. Die Artikel selbst werden auf der Homepage der Kieler Filmmusik-Gruppe (www.filmmmusik.uni-kiel.de) langfristig zugänglich bleiben.
Wir bedanken uns bei allen Autoren, den Mitgliedern der Projektgruppe und bei den festen Mitgliedern der Redaktion Kerstin Bittner, Janwillem Dubil, Julia Fendler, Frederike Kiesel, Patrick Kraft und Imke Schröder
Wir bedanken uns außerdem bei der Firma Aktiv Musik Marketing (AMM), die uns zahlreiche DVDs für unsere Arbeit zur Verfügung gestellt hat.

Kiel, im März 2010
Susan Levermann
Patrick Niemeier
Hans J. Wulff

Archiv der Filmanalysen: ARCHIV FILMANALYSEN

Donnerstag, 4. November 2010

Einfach mal eine Musikempfehlung "Talking to turtles"

10 Tage Homerecording in einer 20 qm großen Wohngemeinschaft in Berlin, freiwilliger Abschluss von der Außenwelt – so entstand das erste Album von Claudia Göhler und Florian Sievers, die man gemeinsam als Talking to Turtles seit ihrem EP Debut im Jahre 2008 kennt. Herausgekommen sind emotionale, zarte, unpolierte Song-Miniaturen. „Monologue“ ist gelebtes Lo-Fi und Do it yourself auf hohem Niveau. Zum Teil erinnert das an den gefeierten, oscarausgezeichneten Soundtrack zum Film “Once” vom Duo The Swell Season. Mal melancholisch, mal dramatisch, mal kippt die Stimme fast, mal jubilieren unsere beiden Protagonisten. Das Album scheint Geschichten zu erzählen, die man nur in diesem Rahmen erzählen kann. Diese werden durch Melodien angereichert und so weitergetragen. Das Alles bietet einen sehr intimen Rahmen. „Monologue“ ist eine persönliche Einladung der beiden Musiker in ihr Leben und ihre WG. Jeder Freund von sensiblen Songwriter-Perlen ohne Filter, der darf eintreten und für ein paar Songs zu Gast sein. Das Duo selbst lernte im Verlauf des Albums nach eigener Aussagen, dass es eigentlich nicht „Do it yourself“ sondern „Ask your friendes“ heißen müsste. Vielleicht war es diese Erkenntnis, die sie Lieder von zum Teil entrückter Schönheit schaffen ließ. Wenn sie auf dem nächsten Album noch ein paar Freunde mitmachen lassen, wie sie angekündigt haben, könnten sie die deutschen Arcade Fire werden. Diese Potential zeigt schon „Monologue“.

(Von mir geschrieben und zuerst veröffentlich für, auf und in Allmymusic AMM - Magazin).
www.allmymusic.de

Donnerstag, 9. September 2010

Selig - komplettes Interview zum neuen Album

Nach zehn Jahren Pause gab es 2009 das unerwartete Comeback mit „Und endlich unendlich“. Damit hätten sie mehr erreicht, als sie erwartet hätten, sagt Frontmann und Sänger Jan Plewka. Es sei daher keine Frage gewesen, dass sie ins Studio zurückkehren würden, um ein zweites Album nach dem Comeback aufzunehmen. Anfang der Woche saßen er und Bassist Leo Schmidthals in der Bibliothek des edlen Hamburger Hotels The George und standen mir Rede und Antwort.

Patrick: Euer neues Album klingt noch runder als das Comebackalbum. Es orientiert sich zugleich am Vorgängerwerk, greift aber auch auf die frühen Selig-Alben zurück.Stimmt der Eindruck?

Jan: Voll und ganz. Aber vorrangig sind wir als Selig natürlich im Hier und Jetzt. Das Album haben wir quasi unbewusst geschrieben. Wir hatten uns das nicht vorgenommen, sondern uns hingesetzt und auf unsere Stärken besonnen. Und eine Stärke ist unser psychedelisches Zusammenspiel, wenn diese fünf Charaktere in einen Raum kommen und zusammen spielen und  das es dann in der Mitte wirklich so etwas wie eine selige Essenz gibt, die fast schon ins Spirituelle geht. Und wir dachten uns, dass wir das vielleicht ein wenig mehr ausschöpfen.


Patrick: Das Album beginnt mit einem Song 5000 Meilen über dem Meer und endet im letzten Song am Meeresboden. War das als Klammer so geplant?


Jan: Ja. Das sind auch die zwei Eckpfeiler des Albums. Es ist eine lange Reise für den Hörer. Dadurch, dass wir wieder so viel Urvertrauen in unsere Band und uns gewonnen haben, konnten wir auch noch mehr Extreme wagen. Wir konnten noch seichter und noch – härter klingt immer so fürchterlich  - direkter werden.
Patrick: Das letzte Album wirkte spontan und krachig. Das neue Werk erscheint  strukturierter. Habt ihr euch mehr Zeit für Details gelassen und auf der Tour schon an Songs gearbeitet?

Leo : Es ist genau wie du sagst. Wir haben auf der Tour gemerkt, dass wir einige Dinge festhalten müssen. Es wurde uns bewusst, dass wir schonwieder etwas erleben, das eigentlich so unwahrscheinlich ist nach all den Jahren. Man macht ein Album, das toll wird. Auch die Leute mögen es und wir können eine Tour vor tollem Publikum spielen. Das ist ja alles nicht selbstverständlich gewesen. Wir sind halt Musiker, wir halten das in Musik fest, wie Fotografen ihre Fotos machen. Allerdings sind die Möglichkeiten auf der Tour begrenzt, um Lieder zu schreiben. „Ich hoffe es hat noch Zeit“ ist aber wirklich nachts um Drei nach einem Auftritt entstanden, als wir alle zusammensaßen.

Patrick: Ihr scheint jetzt sogar mehr Spaß als in den 90ern zu haben.

Jan: Wir sind viel bewusster geworden. Damals war der Rausch so groß. Wir mussten der Welt beweisen, dass wir die Größten und Besten sind. Damals sind wir schon an uns selber vorbeigelaufen und haben uns dabei gar nicht mehr gefunden.  Wir wissen um diesen Fehler jetzt und sind auch älter geworden. Wir müssen nicht mehr durch jede Woche

Patrick: Das Album wirkt nachdenklicher als frühere Alben.

Jan: Ja, es ist ein reiferes, erwachseneres Album geworden, aber nicht schwerer. Es ist sogar eher leichter. Durch die Altersweisheit (lacht) oder was da jetzt ist, ist da auch Schwere von uns abgefallen. Die positiven Erinnerungen an die Tour und Platte war unsere Aufgabe diese positiven Dinge zu transportieren.

Patrick: Habt ihr ein Highlight auf der Platte?


Leo Schmidthals: Ich finde es gut, dass ich richtig Bilder sehe, wenn ich das höre. Es ist wie im Kino. Ich sehe etwas auf der Großleinwand. Das haben wir noch nie vorher so erreicht. Es gibt diese zwei Songs am Anfang und Ende als Klammer und dazwischen gibt es Songs die wirken als könnte man in ein Haus durch die Fenster schauen. Da spielt dieses Stück und da spielt das Stück. Das sind ganz intensive Lieder. Sehr bunt – ich empfinde das auch als sehr bunt.

Patrick: Wo ordnet ihr das Album selbst ein? Liegt es zwische den frühen Alben Selig und Blender oder doch eher in Nähe des Comebackalbums?

Jan: Ich glaube, dass Selig ein Wesen ist, das im Hier und Jetzt lebt. Aber bei dieses Album hat vielleicht sein Bewusstsein auch noch erweitert und in einen größeren Zusammenhang gestellt. Also „Von Ewigkeit zu Ewigkeit“ und dann noch weiter, denn vielleicht gibt es ja doch noch was außerhalb des Hier und Jetzt. Und durch diese Gedanken ist das selige Bewusstsein halt auch noch gewachsen. Das Hier und Jetzt ist dadurch elastischer geworden und hat mehr Zeit und Raum.

Patrick: Der Auftakt des Albums mit „5000 Meilen“ ist ein klassischer Seligsong vom Basslauf bis zum Gesang. An anderen Stellen wird es richtig funky. Da musste ich an die Red Hot Chili Peppers denken. Zum Beispiel bei „Hey Ho“.
Jan: Ich weiß, genau. War das nicht bei „Hey ho“ als wir im Studio saßen und ihr habt immer gesagt „Ey Plewka, stay funky“.
Leo: Das stimmt (beide lachen laut). Oh Mann, stimmt so war das. Das wurde dann zu einem geflügelten Wort bei uns.
Jan: Es swingt mehr. Das ist auch etwas was wir mit dem Album erreichen wollten: Eine gewisse Leichtigkeit in die Schwermut der Welt zu bringen.

Patrick: Sind die Chili-Peppers ein Einfluss gewesen? Ich sprach nämlich auch vor einiger Zeit mit Pohlmann und der hat ja mit Christian (Selig-Gitarrist) gearbeitet beim letzten Album und kam auch gleich auf die Peppers zu sprechen.

Jan: Christian und Fruciante (Gitarrist RHCP) sind die größten Jimi Hendrix Fans die auf diesem Planeten rumlaufen und wenn das dann alles zusammenkommt, dann ist das unterbewusst mit dabei.

Patrick: Bei „Lass sie reden“ wird es dafür richtig Classic Rock. Man denkt sofort an die Rolling Stones.

Leo: Das soll auch so sein. Das ist einfach eine Rocknummer. Ganz normal. Nicht viel Schnick-Schnack, sondern eine Band die spielt. Erst haben wir auch gedacht: Naja, das ist jetzt Klischee. Aber warum? So ist halt das Stück, warum sollte man sich dafür verbiegen. Viel wichtiger ist doch, worum es geht. Dass da jemand am Boden liegt, vielleicht einen Burn out hatte und man sagt „weitermachen“. Das passt zu dieser Musik. Dieses „Jetzt erstrecht“.

Patrick: Kommen erst die Texte und Inhalte und dann die Musik?

Jan: Nein, das kommt schon alles zusammen

Patrick: War das dann das Problem zum Ende der ersten Phase von Selig vor elf Jahren? Dass das nicht mehr alles so zusammenkam? Oder wie war euer Eindruck, als ihr damals „Blender“ aufgenommen habt?

Jan: „Blender“ – das war damals schon Größenwahn. New York und all das. Die Band war eigentlich schon auseinander. Das war nicht mehr das selige Haus. Wir waren eine Riesenmacht geworden, die nicht mehr bei sich selber war. Wir haben versucht den Zeitgeist zu übertrumpfen mit Electro und all dem. Wie soll man diese Platte jetzt deuten?! Eigentlich war sie ein Abschiedsbrief geworden an die Fans an die Plattenindustrie und unser seliges Leben.  Es hat zehn Jahre gedauert diese Wunden zu flicken. Aber jetzt kann man sich besser ansehen, zuhören und miteinander agieren.

Patrick: Es gab jetzt nach dem Comeback also nie den Gedanken „Schade, klappt doch nicht“?

Jan : Ganz im Gegenteil. Die Zeit hat uns wieder zusammengefügt, um das selige Gefühl in die Welt zu geben. Vielleicht brauchte die Welt uns einfach zehn Jahre gar nicht. Und jetzt sind wir wieder zusammen, um hier und da Hilfestellungen zu geben.

Patrick: Habt ihr Angst, dass der Hype wieder losgeht wie damals und ihre zu der „Riesenmacht“ werdet?

Jan : Das schöne am Älterwerden ist doch, dass die Paranoia wegfällt. Und ich glaube dass uns die Paranoia damals vor dem Hype beschützt hat als junge Menschen, die noch gar nicht selbst mit ihrer Ausbildung fertig sind. Jetzt haben wir Altersweisheit erlangt und wir wissen was wir machen.

Patrick: Wie ist euer Publikum strukturiert? Sind das mehr alte oder mehr neue Fans? Und nehmt ihr darauf Rücksicht beim Schreiben?

Jan: Das ist wirklich sehr gemischt. Vom alten Erdkundelehrer bis zum 14-jährigen Punk ist da alles dabei.
Leo: Ich weiß gar nicht, wie wir in so kurzer Zeit schonwieder so viel erlebt haben. Das ist so eine unwahrscheinliche Geschichte. Und wenn wir dieses Album machen, dann denken wir natürlich an die Fans, die mit uns die alten und auch die neuen Stücke gefeiert haben. Und daher glaube ich auch, dass die Energie die einem die Fans auf der Bühne geben eine Rolle spielen.  Dann staut sich das an und fließt da ein. Deswegen ging das so schnell und reibungslos.

Patrick: Eure Texte sind ja schon anspruchsvoll, wenn man sie durchdringen möchte. Wie bringt ihr sowas zusammen mit einer Teilnahme an einem populären Massenevnet wie dem Bundesvision Songcontest bei Stefan Raab, die jetzt ja ansteht?

Leo: Da treffen wir dann auf Ich und Ich, und Unheilig. (lacht). Unheilig trifft Selig. Das gezeichnete Ich macht auch mit. Sehr viele Ichs da dieses Jahr (beide lachen).
Jan: Wir haben schon immer gesagt, wenn Selig Mainstream wäre, dann wäre die Welt wunderbar.Die haben uns gefragt, ob wir mitmachen wollen und wir haben sofort zugesagt. Im Leben eines Musikers gibt es verschiedene Stationen um sich Extra-Adrenalin abzuholen. Und dazu gehört auch so eine Gladiatorenshow wie der Bundesvisionsongcontest.  Im besten Fall sitzt da dann auch die 90-jährige Oma vor dem Fernseher und sagt „Die sind aber süß“ und kauft sich eine Platte.
Leo: Wir waren ja mit Selig schon bei Stefan Raab beim Turmspringen. Und man muss sagen, die ganze Gang um Raab rum. Das sind alle coole Leute. Wir kennen ja viele Fernsehauftritte. Und manchmal hier und da ist das auch mal etwas vertrocknet. Aber bei Raab sind das wirklich coole Leute, die was auf die Beine stellen. Und daher sind wir da auch gerne dabei. Und Raab selbst ist ein echter Musikfan. Der hört die Bands rauf und runter, die da jetzt antreten und interessiert sich auch wirklich für die Geschichten dahinter. Also für ihn ist das wirklich Leidenschaft.  Für ihn ist das keine Arbeit, für ihn ist das Freude.

Patrick: Was steht jetzt an?

Jan: Der klassische Weg. Eine Tour spielen mit diesem Album als Rückgrat und dann eine zweite Single und dritte Single und die Songs wachsen lassen.

Patrick: Und ausprobieren wie es live klappt.

Leo: Da sind Stücke auf dem Album bei denen wir uns schon im Studio gefreut haben: „Das wird geil die live zu spielen“.





 

Sonntag, 5. September 2010

Songs, Alben und ihr Ende

"Ans Ende denken wir zuletzt" singen Sportfreunde Stiller und meinen damit ein Beziehungsende und nicht die Enden, über die ich kurz sprechen möchte, aber es passt halt.
Denn im Gegensatz zu Filmen oder Büchern denkt man bei Songs oft nicht über ihr Ende nach. Also über das was es aussagt. In Zeiten von MP3 Downloads sind Alben ja oft sowieso zerrissen und keine Gesamtkunstwerke mehr. Schade eigentlich, denn ich mag es, wenn man ein Album in seiner Gänze erfassen kann. Das setzt natürlich ( wie auch in Dichtung und Film ) vorraus, dass sich die oder der Urheber überhaupt etwas dabei gedacht haben, aber das hoffe ich zumeist einfach mal.
Wenn ich diese Vorraussetzung als gegeben sehe, dann gestalten sich manche Alben ganz anders.
Zumindest in meiner Wahrnehmung.
Der letzte Satz, die letzte Strophe ist schließlich dann der letzte Eindruck mit dem man wieder in die "normale", reale Welt entlassen wird. Bei einem guten Song bedeutet das ein Fazit oder einen Ausblick, vielleicht auch die überraschende Wende. Auch bei einem gesamten Album kann das der Fall sein.
Nehmen wir doch nur mal das aktuelle Album von Interpol.
Die letzte Strophe des letzten Songs. Dieser trägt schonmal den Namen "The Undoing"... nimmt er er also alles zurück, was man vorher gehört hat? Erklärt er alles?
Schon der Auftakt beinhaltet Scheitern.... "I was on my way... i was on my way to tell you it´s no good". Aber zusammen mit der düsteren Atmosphäre und der typischen Interpol-Gesangslage hört man schon raus, dass daraus wohl nichts mehr wurde.
Und diese Grundstimmung trägt sich nun weiter und weiter.... bis hin zum Finale. Bläser pumpen sich gefährlich auf und immer wieder hört man das sich wiederholende... "Please, please the place we are in now"... und dieses "Please" erweist sich als Sample, das auch im Hintergrund wiederholt wird. Ein Mal sogar mit Effekten verzerrt und verhallt - merkwürdig entfremdet und kalt. Der Beat und die Bläser treiben den Song immer weiter... dieselbe Zeile wiederholt sich immer wieder und versinkt immer weiter im Gesamtsound. Das "Please"... wird ersetzt durch ein "I will wait"... das sich ebenso wie ein aus dem Zusammenhang gerissenes Sample anhört... "I will wait"... es rückt ganz kurz in den Vordergrund... der Song wird ausgefaded... "I will wait" nochmal aus der Ferne und das Album schließt den letzten Song. Ein Album mit der Zeile "I will wait" zu beenden, hat eine für mich fast schon bedrückende emotionale Größe in sich. Worauf eigentlich? Oder auf wen?  Wenn es zusammen mit dem "Please" im Hintergrund eher wie eine Bitte als nach einem Versprechen klingt, lässt es uns als Hörer in einer gewissen Unklarheit und Offenheit der Situation zurück. Für mich eins der stärksten Albenende seit langer Zeit und ein Plädoyer für den Mehrwert von Popmusik als Kunstform, die (gewollt oder nicht) Geschichten erzählen kann.

Freitag, 6. August 2010

Die Illusion vom Rockstarleben - "Meeting people is easy"

Heute mal etwas was ich für unser Rockumentary-Projekt an der Uni Kiel geschrieben habe, dass ich ja als Mitherausgeber betreue. Der Text behandelt den Film "Meeting people is easy", der eine Radiohead-Tournee dokumentiert. Ich finde diese Rock-Tour-Dolu sehr gelungen, weil sie auf eine Heroisierung und Idealisierung der Verhältnisse auf so einem Trip rund um die Welt nicht nur weglässt, sondern ad absurdum führt. Keine Chance für Rockstar-Anbetungen .... 


MEETING PEOPLE IS EASY
Großbritannien 1998
R: Grant Gee.
K: Grant Gee, Jerry Chater.
P: Dilly Gent, Tony Wadsworth (Parlophone), Sally Woodward Gentle, Amy Norman (Kudos).
S: Grant Gee, Jerry Chater.
D: Thom Yorke, Phil Selway, Johnny Greenwood, Ed OBrien, Colin Greenwood. (Radiohead), Michael Stipe (REM).

Als die britische Band Radiohead 1997 den Filmemacher Grant Gee, der zuvor mit seiner Arbeit an U2s
Zoo-TV Performance und mit einigen Musikvideos für Aufsehen gesorgt hatte, als Dokumentarfilmer mit auf
ihre Welt-Tournee zum Album „Ok Computer“ nahm, wusste keiner der Beteiligten, wie diese verlaufen
würde. Frühere Tourneen hatten sich allerdings zum Teil als sehr anstrengend für die Band erwiesen. Vor
allem der Frontmann Thom Yorke litt immer wieder unter dem Tour-Alltag. Bedenken muss man zusätzlich,
dass die Dokumentation nicht als Bericht über eine Erfolgstour geplant werden konnte, weil zu dem
Zeitpunkt, an dem Gees Arbeit an MEETING PEOPLE IS EASY startete, das Album selbst erst zeitgleich zum Film auf den Markt kam. Welche Welle an medialem Interesse dieses - von vielen Kritikern als wichtigstes
Rockalbum der 1990er gefeierte - Werk weltweit lostreten würde, war nicht zu ahnen. Die Tournee, das zeigt
der Film deutlich, wird trotz oder auch gerade wegen des riesigen Erfolgs und der Lobeshymnen zu ihrem
Album für die Musiker zu einem ermüdenden Horrortrip von einer anonymen Stadt zur nächsten, vor allem
von Interview zu Interview. Gee begleitet Radiohead dabei in der Tradition des direct cinema, ohne selbst in
das Geschehen einzugreifen. Er fügte auch keine Sprecherkommentare oder nachträglich geführte Interviews
ein.
Das Rockumentary verzichtet außerdem gänzlich auf eine Glorifizierung und eine Überhöhung des Star-
Status der Musiker. Sie erscheinen im Verlauf des Films vielmehr als kleine, recht hilflose Akteure, gefangen
in einem allgegenwärtigen Medienapparat. Ihre Musik bleibt zwar zentrales Thema, die Ausübung ihrer
Kunst rückt dabei aber immer weiter an den Rand des Geschehens. Schon das Intro des Films setzt die
melancholische Grundstimmung. Der Zuschauer findet sich in der Perspektive eines S-Bahn-Mitfahrers
wieder, der in eine Haltestelle in Barcelona einfährt, wie auf einer Anzeige am Ende der Szene zu erkennen
ist. Offensichtlich ist es der Blick der Musiker bei der Einfahrt in die Haltestelle einer Kongresshalle oder
eines Hotels, was sich aus zwischengeschnittenen Einstellungen erschließen lässt, die die Band in eben dem
Tunnelsystem zeigt, das auf den Bildern aus der Bahn zu erkennen war. Das Bild wirkt wie die Aufnahme
einer Überwachungskamera, schwarz-weiß und kalt. Im Hintergrund hört man den bedrückenden Radiohead-
Song „Fitter Happier“, auf der Fensterscheibe der Bahn erscheint in einer sich aufbauenden LED-Schrift die
Spiegelung des Titels Meeting People Is Easy; die Fahrt endet in einer Sackgasse. Auffällig ist die
Diskrepanz zwischen der eigentlich positiven Grundaussage des Satzes und seiner Darstellung als reflektierte LED-Anzeige in einer kalten, Menschen abweisend wirkenden Umgebung. Dies ist ein erster deutlicher
Verweis auf die Schwierigkeiten, die die Tour mit sich bringen wird. Schwierigkeiten und
Ermüdungserscheinungen, die Gee mit großer Wahrscheinlichkeit dazu inspiriert haben, diese Sackgassen-
Szene an den Anfang seiner Dokumentation zu setzen. Es folgen Bilder von der Presse-Präsentation am
Veröffentlichungstag des Albums. Die Band wirkt in diesen ersten Szenen noch relativ entspannt. Es ist
sogar zu sehen, wie Gitarrist Johnny Greenwood selbst Fotos von der Umgebung und seinen Bandkollegen
macht und wie Ed OBrien und Thom Yorke auf einem Geländer sitzen und lachen. Aus dem Off ist
allerdings schon der etwas ermüdende Pressearbeitsalltag zu hören, der hier seinen Anfang nimmt. Die
verschiedenen Bandmitglieder sprechen in einer Klangcollage immer wieder Sätze wie „Hi this is Colin from
Radiohead and you are listening to…“. Und trotz vereinzelter Lacher über die Namen einiger Radiosender
endet die Passage mit den Sätzen „It́s awful. I hate this“, geäußert von einem der Bandmitglieder, während
Gee weitere, zum Teil sehr experimentelle Fotos und Videoausschnitte vom Promo-Tag im Sekundentakt
über die Leinwand flimmern lässt. Experimentell und zum Teil beeindruckend bleiben die Perspektiven und
Schnitte den gesamten Film über. Gee wechselt häufig die Farbgebung, arbeitet mit verwackelten und
verschwommenen Bildern und lässt dabei alles frei von einem zusätzlichen Kommentar. Dieser Filmauftakt,
der die Tage vor der eigentlichen Tour zeigt, endet mit einem sichtbar nervösen Thom Yorke in einem
Fahrstuhl.
Es dauert nicht lange, bis die ersten Kritiken eingetrudelt sind. Zum Start der eigentlichen Tour ist es soweit.
In einer Bildmontage ist eine Kritik in Ausschnitten auch für den Zuschauer zu sehen, während die Band
durch Zeitungskopien blättert. „Messiahs“ ist da unter anderem zu lesen. Aus dem Off hört man gleichzeitig
den Frontmann auf die Frage, was er von dem Tourstart-Konzert am nächsten Tag erwarte, antworten, dass er„terrified“ sei. „The world starts turning again and the industry starts moving again. This time it́s even bigger
and more terrifying. It́s getting out of our control“. Er sollte mit dieser Einschätzung Recht behalten.
Dass es in Meeting People Is Easy keinen Rockstar-Glamour zu sehen gibt, sollte den Zuschauern spätestens
nach der nächsten Szene klar sein, die die Band beim Einsingen und Vorbereiten auf den ersten Gig der
Welttournee in einem karg eingerichteten, mit Neonlicht ausgeleuchtetem Backstage-Raum zeigt. Gee folgt
den Musikern mit seiner Kamera bis auf die Bühne. Die Musiker von Radiohead wirken konzentriert und
angespannt. Auf der Bühne ist der Introsong „Fitter happier“ (wie auch zu Beginn des Films) zu hören, Jubel
brandet auf, die ersten Töne erklingen, die Tour hat begonnen - Gee wechselt in die typische
Konzertfilmperspektive: frontal auf die Bühne über die Köpfe der Zuschauer hinweg. Diese Kameraposition
verwendet er auch in vielen folgenden Konzertausschnitten, variiert sie aber auch (unter anderem: Blick aus
der letzten Zuschauerreihe, von draußen und mehrfach von hinter der Bühne). Auch in den Aufnahmen des
ersten Konzerts sind die im Film allgegenwärtigen Photographen und Journalisten im Bühnengraben zu
sehen. Während der Livesong im Hintergrund weiterläuft, präsentiert sich dem Zuschauer eine Collage aus
Zeitungs- und Interviewausschnitten sowie eine Klangcollage aus diversen Journalistenfragen. Vor allem„What is music for you?“ erklingt immer wieder. Weiter geht es mit Eindrücken vom Glastonbury-Festival,
die das gesamte Ausmaß des Triumphzuges der Tournee zeigen. Thom Yorke fordert, dass der Lichttechniker
das Publikum anstrahlen soll, damit er zum ersten Mal an diesem Abend seine Zuhörer sehen kann. Die
Menge reicht bis zum Bildhorizont. An späterer Stelle im Film bezeichnet er diesen Augenblick als
Höhepunkt und besonderes Erlebnis. Zuvor drohte der Glastonbury-Gig eine Katastrophe zu werden, was
man im Film nicht direkt sieht, was aber aus der gut recherchierten Radiohead-Biographie „Exit Music“ von
Mac Randall hervorgeht. Yorke, der sowieso eine Abneigung gegen große Festivalauftritte habe, sei bis zu
diesem Zeitpunkt enorm vom Bühnenlicht geblendet gewesen. Auch die Technik habe immer wieder versagt
[1], was erklären könnte, warum er schon zu diesem frühen Zeitpunkt der Tour auf der Bühne deutlich
genervt schien, während die Band ihren größten Hit „Creep“ spielte.
Tunnel, Straßen in unnatürlichem Licht und verschwommene Umrisse von Großstädten in der Nacht prägen
große Teile der weiteren Dokumentation. Vor allem hört und sieht man in diversen Montagen immer wieder
Interviews und Photo-Shootings, die den Alltag der Band auf Tour prägen. Radiohead scheinen immer schon
in medialer Form vor Ort zu sein, während sie selbst erst ankommen. Plakate, Fernsehmonitore und
Zeitungsausschnitte sind immer wieder zwischen die Auftritte gesetzt. Die Perspektiven, die Farben und die
Schnitte sind experimentell und lassen das Geschehen unwirklich wirken. Fast wie im Gegenschnitt wirken
Blicke aus dem Tourbusfenster, die die Perspektive der Musiker wiedergeben könnten. Das Außen des
Busses ist aber nur vorbeiziehende Kulisse, keine Eindrücke, wie sie sich die meisten Fans von ihren Idolen
auf Tour machen würden. Vergleicht man diese Inszenierung der Tournee, wird die Differenz zu vielen
herkömmlichen Tourdokumentationen schnell deutlich – keine Backstagepartys, keine wilden Abende mit
Groupies. Selbst ein Treffen mit dem-R.E.M Sänger wird nicht sonderlich in Szene gesetzt. Es ist im
Halbdunkel auf einer Treppe kaum zu erkennen. Wesentlich deutlicher zeigt der Film, dass Yorke auf der
Suche nach einer Aftershow-Party vor einem Club vom Türsteher abgewiesen wird, der ihm als Zugabe noch
ein „Write a song about it! Write it right now! You radiohead, creep, dickhead!“ mit auf dem Weg zurück ins
Hotel gibt. Der Sänger wirkt, als er mit seiner Begleitung den Rückweg antritt, nicht wie ein Rock-Heroe,
sondern eher wie ein tragischer Charakter. Der Film arbeitet gegen die Erwartungen von Zuschauer-Fans -
das Leben eines Stars der internationalen Musikszene, der gerade von allen Musikkritikern der Welt gefeiert
wird, stellt man sich anders vor.
Die nächste Szene wird rückwärts abgespielt und lässt den Zuschauer als Beobachter ins spartanische
Hotelzimmer des sensiblen Frontmanns, wo dieser einen Aufkleber mit der Aufschrift „Im not here and this
is not really happening“ an der Fensterscheibe anbringt und so einen Schutzwall zwischen sich und der
unwirklichen Tourwelt aufzubauen scheint. Es ist die einzige Stelle im Film, in der als Hintergrundmusik ein
Song ausgewählt wurde, der nicht von Radiohead selbst stammt: Scott Walkers „On Your Own Again“.

Walker gehört zu Yorkes Lieblingssängern. Der Song könnte als Kontrapunkt zu dessen eigenem Song
“Creep” stehen, den Yorke und Greenwood schon früher als ihren “Scott-Walker-Titel” bezeichneten.
Zugleich nimmt der Text Bezug auf Yorke selbst, der hier das einzige Mal vollkommen allein für sich zu
sehen ist.
Die Szene wirkt wie eine Traumsequenz, bevor der Sänger wieder voll in den Tour-Marathon von Auftritten,
Photo-Sessions und Interviews eintritt. Deutlich ist zu erkennen, dass die Band mittlerweile von Station zu
Station immer müder wird. In einigen Gesprächen äußern sie das sogar gegenüber den Journalisten, die
immer wieder dieselben Fragen stellen. Würde es die kurzen, kleinen Einblendungen zu jedem
Konzertausschnitt mit der Nummer des Konzerts und des Ortes nicht geben, würde alles relativ gleich
aussehen - ein ununterbrochener Zyklus von Konzertsälen, Hotels, Busfahrten und Terminen mit Journalisten
irgendwo auf der Welt. Gee führt dem Zuschauer so die ermüdende Routine einer Welttournee mit über
hundert Auftritten direkt vor Augen. Es ist keine pures Vergnügen, keine endlose Party, sondern eine
nervliche und körperliche Tortur. Zum Ende des Films sieht man es den Mitgliedern der Band förmlich an,
dass sie ausgelaugt und müde sind, vielleicht sogar kurz vor einem Burn-Out stehen. Auch die Antworten in
den Interviews werden zynischer. Ein Gespräch zwischen den Gitarristen Johnny Greenwood und Ed OBrien
mit Thom Yorke kurz vor Ende der Tour und somit auch des Films. „Last year we were the most hyped band.
We won every poll and all this…it́s all bollocks. […] it́s a complete headfuck”, hört man Thom Yorke sagen.
Er habe Angst, dass sich zu viel verändere. Ein bemitleidenswerter, australischer Journalist streut unbewusst
mit der Frage, ob sie sich seit der Tour wie eine andere Band fühlten, zu viel Salz in diese Wunde. Yorke
steht unvermittelt von seinem Stuhl auf. Die Frage nach einem nächsten Album beantwortet er mit einem „no
idea“. Im Gespräch mit einem japanischen Interviewteam fällt dem Frontmann nicht mehr ein, was er sagen
wollte. Die Band ist ausgepumpt und leer. Johnny Greenwood hört man anschließend aus dem Off sagen,
dass Radiohead nach der Tour eine sechsmonatige Pause machen werden. „If you believe in the hype, you
have to believe in the backlash”, begründet er diese Entscheidung.
Es folgt der letzte Auftritt. Schwarz-weiße Bilder aus der Umkleide, wieder keine große Party, Erleichterung
und der Kommentar von Thom Yorke an die Kameraleute „I think you should stop now. I guess it́s the end“.
Es folgt die kurze Einblendung “end” - und nicht nur für Radiohead ist die Tour beendet, sondern auch für
den Zuschauer. Diesem werden die teilweise beeindruckenden Bilder und die imposanten Aufnahmen aus
dem wahren Tour-Leben hinter und neben der Bühne sicher eine Weile im Gedächtnis bleiben. Der Film regt
zum Nachdenken über das Musikbusiness an. MEETING PEOPLE IIS EASY ist als Titel ironisch zu verstehen, das
wird im Verlaufe des Films immer deutlicher. Denn Radiohead treffen zwar ständig neue Menschen, doch
keiner von ihnen bleibt. Sie sind genau wie die austauschbaren Städte und Bühnen nur flüchtige Eindrücke,
vorübergehende Bilder in einer endlos scheinenden Bewegung.

Grant Gee ist ein großartiger, mutiger Film weitab von Rock´n´Roll-Klischees gelungen. Thom Yorke selbst
soll mal gesagt haben, dass die Dokumentation von all den Gründen handele, die einen zu der Überzeugung
bringen sollten, nicht in einer erfolgreichen Rockband zu spielen. Der Film erschließt aber auch die Gründe
dafür, weshalb das nächste Album der Band, Kid A, einer totalen Verweigerung gegenüber
Erwartungshaltungen auf Seiten der Fans und der Kritiker glich. Es war für die Musiker der einzige Ausweg.
Die Alternative wäre nur die Auflösung dieser Ausnahmeband gewesen.
Das gezeigte Geschehen ist auch ein Indiz dafür, dass die Veröffentlichung ihres jüngsten Albums In
Rainbows im Jahre 2007 als freiwillig zu bezahlenden Download vermutlich durchaus kein Promo-Gag war,
sondern ein Protest gegen die Mechanismen der Musikindustrie, die die Band auf der dokumentierten Tour
1997/98 an den Rande des Abgrunds gebracht hatten.
(Patrick Niemeier)

Anmerkungen:
[1] Randall, Mac: Exit Music. Die Radiohead Story, Berlin: Bosworth-Ed. 2006, S. 214f.

Literatur zum Film:
Wish you were here. In: Filmmaker 7,3, April 1999, S. 52-55, 92-95. Interview mit den Regisseuren Jem Cohen and
Grant Gee über Musikdokumentationen. Rev. In: Variety, 12.4.1999, S. 64-65.

Literatur zu Radiohead:
Diskographie: Paytress, MarkR: Radiohead. Complete guide to their music. London: Omnibus 2005, 96 S. [16 Bl.].
Randall, Mac : Exit Music. Die Radiohead-Story. Neu überarb. Aufl. Berlin: Bosworth-Ed. 2006, 305 S. Zuerst Engl.
2003; rev. ed. 2006.
Tate, Joseph (ed.): The music and art of Radiohead. Aldershot [...]: Ashgate 2005, XX, 210 S. (Ashgate Popular and
Folk Music Series.).

Falls Jemand zitieren möchte... ( ist ja eine offizielle und wissenschaftliche Arbeit ) : 

Empfohlene Zitierweise:
Niemeier, Patrick: Meeting People Is Easy.
In: Kieler Beiträge zur Filmmusikforschung 5.1, 2010.
URL: http://www.filmmusik.uni-kiel.de/beitraege.htm
Datum des Zugriffs: 1.6.2010.
Kieler Beiträge für Filmmusikforschung (ISSN 1866-4768)
Copyright © by Patrick Niemeier. All rights reserved.
Copyright © für diese Ausgabe by Kieler Gesellschaft für Filmmusikforschung. All rights reserved.
This work may be copied for non-profit educational use if proper credit is given to the author and „Kieler Beiträge für Filmmusikforschung“.

Donnerstag, 5. August 2010

Wie Songs wandern...

Ein großes Thema, ein langes Thema, das ich nur kurz anschneiden möchte.
Auf dem diesjährigen Klangstadt Open Air sprach mich jemand an, ob ich diesen einen Song kennen würde, den die Ramoonies da gerade spielten. Es war "Surfin` USA" den die Original-Ramones einst von den Beach-Boys gecovered hatten. Nun fand er also seinen Weg an den Poggensee und für eine junge Frau war es einfach ein weiters Lied der Ramoonies. Eins das ihr gefiel und das sie gerne (natürlich von den Ramoonies) kaufen würde. Ihr war nämlich keineswegs bewusst, dass die Ramoonies nicht eigene Songs, sondern Coversongs der Ramones spielen und natülich erstrecht nicht, dass dieses also ein Cover eines Covers war. Heute Abend sah ich gerade in einer Dokumentation über Popmusik wiedermal das Original von den Beach Boys und welche Rolle diese und auch diese ganze Beach-Musik eigentlich in der Entwicklung der Pop-Musik spielten.
Die Beach Boys als ein Teil der amerikanischen Antwort auf die Beatles-Invasion und Beatlemania und diese Musik als Teil der totalen Kommerzialisierung einer Jugendbewegung und als erster Akt der Industrialisierung und damit Professionalisierung der Popmusik. Wie bei einem Ausflug in so einer Gedankenblase könnte man nun die Kamera zurückschwenken lassen auf den Poggensee wo die Ramoonies auf der Bühne spielen, einen neuen Fan gefunden haben, dem diese ganze Geschichte total egal ist, der den Song nur am vorläufigen Ende seiner Reise kennen lernt. Nein, es ging nicht um Kommerzialisierung, es schwang keine Revolution mit und wohl kaum einer dachte an das Schicksal der Beach Boys oder der Ramones als Menschen oder was sie empfunden haben mögen, als sie das erste Mal diesen Song eingespielt haben. Sie stand einfach vor der Bühne und fragte... "Wie heißt der Song? Haben sie den aufgenommen, weißt du das? Der ist cool"
Früher hätte mich sowas aufgeregt... wenn jemand das Original nicht kennt und nichtmal merkt, dass es ein Cover ist... aber warum eigentlich? War es so schlimm in dieser Situation und ist es nicht viel schöner, dass ein Song einen neuen Fan gefunden hat?

Mittwoch, 4. August 2010

Los geht es....

"Es war ein Donnerstag, an dem ich beschloss der berühmteste Mensch der Welt zu werden - vielleicht war es auch ein Mittwoch... rückblickend bin ich mir nicht mehr so sicher" - So begann ein Roman an dem ich mal gearbeitet habe und aus dem nie wirklich viel mehr als ein paar Seiten wurde. Fragt mich nicht worum es ging. Es sollte von einem Musiker handeln, der eine Karriere ohne fertige Songs anstrebt. Der einfach loslegt, rausgeht und es am Ende damit sogar schafft diese Seifenblase zu verkaufen. Was geblieben ist, ist eigentlich so etwas unfertiges, eine Seifenblase... eine aufgeblasene Idee, wie ich sie manchmal habe und dann (oft zurecht) verwerfe.
Doch irgendwie mag ich die Zeile noch... und nachdem auch meine diversen Blog-Versuche  irgendwo versackt, eingestellt, verändert und verendet sind, musste ja mal ein neuer Anlauf kommen. Meistens ging es da eh hauptsächlich um meine Band... die "Puppies on acid"... doch vielleicht ist es an der Zeit viel mehr Persönliches zu schreiben, als das, was viele immer nur als Promo auffassen.

Und so startet heute also ein neuer Blog... er trägt als Titel den Auszug aus einem Song der Band TempEau, der mir einfach gefällt. Vor allem im Zusammenhang mit "und es fehlt deine Art, dein Mut und dein Mundwerk und dein Name unter dem Bild". Ich finde er ist gewaltig in seiner simplen Aussage des Vermissens. Unweigerlich stelle ich mir immer eins der vielen Bilder in den Social Networks vor... auf dem Verlinkungen gelöscht wurden. Das würde passen. Doch darum geht es vermutlich gar nicht. Es kann auch das erste Foto nach einer Trennung sein. Oder das erste Foto eines Teams auf dem alte Weggefährten nicht mehr mit drauf sind. Für mich transportiert der Satz viel. Ich habe das Lied im vergangen Jahr sehr oft gehört. Mein Verhältnis zu TempEau war immer ein Besonderes. Nicht nur, weil sie die erste wirklich bekanntere Band waren, die ich interviewed haben, sondern auch, weil sie irgendwie zu Wegbegleitern einer bestimmten Phase geworden waren. Plötzlich fehlt der Bandname selbst unter den Bildern, seitdem Jan und Stoppel zurück zu "Selig" gegangen sind. Doch ich schweife ab.... man sieht. Es gibt viel zu erhählen.

Und irgendwie soll das auch das Thema all dieser Blogs sein. Musik, ihre Texte, Konzerte, Rockfilme, Rockumentaries, vielleicht populär-kulturelle Ereignisse oder Überzeugungen. Ich mag Wörter, ich mag Musik... als Journalist bin ich ( so ist das ja nunmal ) zumeist daran gebunden, was in das Format der jeweiligen Zeitung oder Zeitschrift passt oder gehört. Hier soll das nicht so sein.


Doch zurück zum ersten Satz. Vor kurzem fiel mir das Manuskript in die Hände... also diese paar Seiten und ich dachte, wo man diesen doch guten Beginn veröffentlichen könnte. Und ich befand, dass ich eigentlich malwieder einen Blogversuch starten sollte. Also los geht es... schauen wir was kommt.